Packen wir's an!

  • Matthias Wagner-Uhl
  • NETZWERK POLITIK

Packen wir's an!

Liebe Vertreterinnen und Vertreter der Landespresse,
mit Hochschwappen der Pandemie kommen immer mehr Schulen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Um den 1,5 Millionen Schüler:innen im Land weiterhin gutes Lehren und Lernen zu bieten, braucht es eine gemeinsame Kraftanstrengung der Schulwelt, die weit über die Anstrengungen der jeweiligen Schulgemeinschaft vor Ort hinausgeht. Vor allem aber gilt es, den Fokus wieder auf das Kerngeschäft von Schule zu legen: Die Kinder bestmöglich auf ihre Zukunft vorzubereiten! Ministerin Eisenmann muss sich ebenso darauf konzentrieren, Verantwortung übernehmen und endlich wichtige Entscheidungen treffen.



Packen wir’s an
Innovation war in vielen Schulen Deutschlands lange verpönt. Doch die Pandemie verlangt kreative Ansätze und Out-of-the-Box-Denken. Statt in Pudelmützen-Romantik zu verharren, kann die Schulwelt im Südwesten nun beweisen, welches enorme Potenzial dort brachliegt. Mit Mut, Mitstreitern und den notwendigen Ressourcen wird die Covid 19-Krise zur Chance für Baden-Württembergs Schulen.
Seit Auszug der Schüler:innen und deren Lehrkräften aus den Schulen vor ziemlich genau sieben Monaten, beschäftigen sich weite Teile der Schulwelt damit, Ideen zu generieren und Licht ins Dunkel eines analogen Schulverständnisses zu bringen. Umfassend sind die Publikationen, Sammlungen, Groß- und Kleingruppenveranstaltungen, digitalen Formate und Video-Schalten, in denen nach praktikablen Lösungen für den Schulbetrieb unter Pandemiebedingungen (und auch weit darüber hinaus) gefahndet wird.
Daneben fokussieren sich gerade die Verantwortlichen in Politik und Schulverwaltung vor allem auf die formalen Grundlagen und gesetzlichen Rahmenbedingungen von Schule. Doch: „Seien wir ehrlich: Schule ist für Kinder da – darum muss es gehen, aber vor lauter Vorgaben und Anweisungen gerät das völlig in den Hintergrund“, sagt Matthias Wagner-Uhl, Vorsitzender des Vereins für Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg e.V. Was die Schüler:innen im Südwesten wie in ganz Deutschland brauchen und wie dies auch unter Pandemiebedingungen zu realisieren ist, sei schließlich offenkundig: „Wir müssen Schulgemeinschaften ertüchtigen, ermächtigen und ermutigen, die digitale Transformation des Systems Schule zu vollziehen – und jene, die hier aussteigen, müssen wir ermahnen, dass dies kein nice-to-have ist, sondern eine verbindliche Gesellschaftsaufgabe.“
Gerade auch im Südwesten findet sich geballte Expertise und umfassende Erfahrung mit der Umsetzung von digitalen Lernangeboten im Ökosystem Schule. „Wir haben jede Menge erprobte Vorgehensweisen – diese müssen jetzt geteilt und die Breite gebracht werden“, dazu sei es notwendig, die Tagesakteure aus der Schulpraxis schnell und effektiv zu vernetzen. Und zwar über alle Schulformen hinweg.
Wovon Wagner-Uhl genug hat, sind immer wieder neue Arbeitskreise und der Hang, im Kompetenzfeld anderer zu wildern: „Lassen wir die Mediziner ihre Arbeit tun und machen wir unseren Job!“ Für den erfahrenen Pädagogen bedeutet das vor allem, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: „Wir müssen die Schulen in der Breite darauf vorbereiten, dass sie mit allen Situationen, die in der Pandemie aufkommen, umgehen können“, sagt der Schulleiter. Im Vordergrund stehe dabei der Unterricht – ortsungebunden und in hoher Qualität. Dieser müsse eine Grundaufmerksamkeit für alle Schüler:innen leisten – und einen besonderen Fokus auf die Schwächsten legen.
Damit diese Herkulesaufgabe gelingt, müsse sich die Schulwelt endlich als große Arbeitsgemeinschaft verstehen, die gemeinsam das beste Arbeitsergebnis abliefern will, appelliert Wagner-Uhl. Im Südwesten heiße das konkret, dass ZSL, IBBW, aber auch Hochschulen mit ihren Studierenden ihre Kräfte bündeln und den Schulen ad hoc geeignetes Material, anregende Video-Lektionen, intelligente Fernlern-Einheiten und eine solide Vorbereitung auf hybrid-asynchrone Lernsituationen liefern. Ein Anstoß durch Ministerin Eisenmann sei mehr als überfällig, rügt Wagner-Uhl, denn „es geht hier nicht um einzelne Lehrer:innen oder einzelne Schulen – es geht um weit über 4000 Schulen im Land, mit zusammen etwa 150.000 Mitarbeitenden und immerhin 1,5 Millionen direkten Kunden, nämlich den Schülerinnen und Schülern in Baden-Württemberg“, gälte es alles daran zu setzen, damit dieser Betrieb läuft, so der eingefleischte Bildungsoptimist.
Die Arbeitswelt ändert sich, schon lange. Mit der Pandemie hat sich das Tempo von digitaler Transformation und New Work vervielfacht. „Wir müssen Schule anders denken, wenn wir unseren Kindern auch unter Pandemiebedingungen einen guten Weg in die Zukunft weisen wollen“, sagt der mehrfache Vater. Die Alternative ist ernüchternd: „Wenn wir diese Chance verstreichen lassen, wird die Schulwelt weiterhin Dekaden hinter dem Real Life hinterher hinken und die ehemalige Bildungsnation Deutschland immer noch weiter abgehängt.“

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