Zeit der Freude

  • Dr. Ulrike Felger
  • NETZWERK ELTERN

Zeit der Freude

Zeit der Freude (Download: Zeit der Freude.pdf)

Das überraschende Geschenk eines zeitnahen Impftermins für Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg wirft für Eltern und Familien viele Fragen auf. Ein Statement des Elternnetzwerks im Verein für Gemeinschaftsschulen BW e.V.

Wir gönnen es ihnen. Wir gönnen es allen, die sich in den letzten zwölf Monaten dafür eingesetzt haben, dass unsere Kinder trotz widrigster Umstände die Chance für persönliche Weiterentwicklung und Wissenserwerb bekommen haben. Wir gönnen es auch allen, die mit größtem Engagement und Arbeitszeiten weitab jeder regulären Dienstvereinbarung dafür gesorgt haben, dass unter eigentlich unzumutbaren Rahmenbedingungen das bestmögliche Angebot gemacht wurde, damit unsere Kinder mitten in der Pandemie ein Stück vertrautes Terrain beschreiten konnten.

Drei Wochen vor der Wahl kommt nun das Angebot, dass sich Lehrerinnen und Lehrer im Südwesten zeitnah gegen eine Covid-Infektion impfen lassen können. Im Hopplahopp-Verfahren werden Impftermine vergeben, während der Infektionsschutz aller anderen Schulbeteiligten – allen voran unserer Kinder - seit Frühjahr 2020 auf der Stelle tritt.

Noch gestern startete der Präsenzbetrieb in den Grundschulen – ohne Maske und mit Hygieneregeln, die vielerorts kaum über „Mach doch mal das Fenster auf“ hinausgehen. Schon Anfang Januar nahmen die SBBZ den Betrieb auf – ohne auch nur einen Funken Schutz, obwohl auch hier Interessensvertretungen wie Betroffene immer wieder bessere Konzepte gefordert haben. Die Schulen sind schließlich sicher.

Doch heute ist alles anders: Heute sind Lehrende priorisierte Zielpersonen für eine Impfung, die einer tödlichen Pandemie endlich Einhalt gebieten soll.

Was bedeutet das für unsere Kinder? Für unsere Kinder, die bei weitem nicht nur im Grundschulalter sind, sondern die in den Abschlussklassen und den beruflichen Schulen biologisch längst erwachsen sind? Sind die Schulen vielleicht doch keine Insel der Glückseligen, wie es uns unsere Kultusministerin seit letztem Frühjahr weismachen will?

Das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Pädagog*innen, welches durch den Schulterschluss gegen die Pandemie an vielen Schulen gewachsen ist, ist ohnehin strapaziert: Durch den anhaltenden Druck der Kultusministerin in Sachen Noten und Zeugnisse, ihr unerschütterliches Festhalten an Abschlussprüfungen weitab jeder schulischen Realität. Aber auch durch eine sinkende Qualität im Fernlernen, was vor allem den schier unlösbaren organisatorischen Anforderungen des Wechselunterrichts geschuldet ist. Eigentlich alles überflüssig, weil auch im Südwesten z. B. an Gemeinschaftsschulen alltagstaugliche Alternativen durchaus erprobt sind.

Es ist die Vertrauensfrage, die Eltern nun stellen: Was bedeutet die Impfung der Lehrerinnen und Lehrer für unsere Kinder? Werden Schulverwaltung, Schulleitungen und Lehrende künftig die Gesundheit unserer Kinder in den Vordergrund stellen – auch wenn sie sich selbst auf der sicheren Seite wähnen? Werden Teststrategien, Schnelltest-Szenarien und Quarantäne-Konzepte mit dem gleichen Elan weiterverfolgt wie bisher? Oder geht das System Schule nach dem Schutz der Mitarbeitenden zu einem Business-as-usual über, das die Versäumnisse der letzten zwölf Monate übertüncht und die Exposition unserer Kinder gegenüber einem tödlichen Virus wie bisher weitgehend ausblendet?

Corona trennt die Spreu vom Weizen. Das galt in den letzten 48 Wochen auch und besonders in der Schulwelt. Ein Grund mehr, das System Schule ganzheitlich zu denken, statt in Wahlkampf-Manier zu agieren und damit wieder einmal den Frieden an den Schulen für machtpolitische Zwecke aufs Spiel zu setzen. Wir Gemeinschaftsschul-Eltern stehen für eine Schulgemeinschaft, die auf Augenhöhe gemeinsam Lösungen sucht und das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt stellt. 

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