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Teststrategie aus Schilda
Die amtliche Stellenbeschreibung für Eltern mit Schulkindern in Zeiten von Corona sind vielfältig: Auskunftsbüro, Motivationstrainer*in, IT-Management, Druckstation, pädagogische Hilfskraft. Nach dem Willen der Landesregierung erweitert sich nun das Aufgabenspektrum: Ab Montag sollen sich die Eltern von 5. und 6. Klässler*innen zwei Mal pro Woche um die Durchführung von Corona-Tests bei ihren Kindern kümmern.
„Teststrategie? Wo ist da denn die Strategie, wenn man anderen einen Auftrag erteilt und sich selbst aus der Verantwortung stiehlt?“ – eindeutiger kann die Reaktion von Eltern auf die neueste Schnapsidee aus dem Stuttgarter Corona-Theater kaum ausfallen. „Wir fühlen uns im Stich gelassen, ausgeliefert, verraten und verkauft“, sagt Dr. Ulrike Felger, Sprecherin des Elternnetzwerks im Verein für Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg e.V. Die Bedingungen, unter denen nun bei steigenden Infektionszahlen die Schulhäuser geöffnet werden, seien hanebüchen. Der Umgang der Kultusministerin mit den beteiligten Menschen zynisch.
Viele Familien fragen sich verzweifelt, wie sie sich und ihre Kinder angesichts der aktuellen Vorgaben überhaupt schützen sollen. Denn die Aussetzung der Präsenzpflicht ist letztlich ein juristischer Winkelzug, der ebenfalls wieder Verantwortung verlagert und die Betroffenen allein lässt. Mit Aufnahme des Präsenzunterricht wird es für viele Schulen rein organisatorisch unmöglich, einzelne Kinder in der Schule@Home hinreichend zu versorgen.
Was bleibt, ist der Gang in die Höhle des Löwen. Wer Glück hat, verbringt sein Familienleben in einer Kommune, die ihre Schulen beim Infektionsschutz tatkräftig und direkt im Schulalltag unterstützt. Pech hat, wer bei der Umsetzung des amtlichen „Testkonzepts“ auf die Angebote von Apotheken, Hausärzten oder kommunalen Schnelltestzentren angewiesen ist. „Ich habe bei unserem Hausarzt nach Teststellen gefragt: bei uns gibt es keine Apotheken, von den Ärzten macht es nur einer – also bleibt nur die zentrale Teststelle zwei Orte weiter, da muss man allerdings Termine machen“, erzählt eine Mutter aus dem Elternnetzwerk. Gerade im ländlichen Raum wirkt der Ansatz für viele Familien als Hohn. Dazu kommt die logistische Herausforderung, die mit der Berufstätigkeit beider Eltern kaum vereinbar ist.
Wie Eltern mit mehreren Kindern die gestellte Aufgabe bewältigen sollen, steht in den Sternen. Wobei auch das für die Elternschaft im Südwesten nichts Neues ist: „Wir bekommen vorgesetzt, was in die Wahlkampfstrategie der Kultusministerin passt – ob das in der Schulpraxis realisierbar oder für unsere Kinder gut ist, interessiert schon lange niemanden mehr“, fasst Felger die Stimmung bei den Eltern zusammen. Den Glauben in eine verantwortungsvolle Schulpolitik haben dort viele längst verloren. Die Braunschweiger Virologin Prof. Melanie Brinkmann bringt die Situation treffend auf den Punkt: Sie bezeichnet die aktuelle Corona-Politik rund um die Öffnung der Schulen ohne adäquate Testkonzepte als „intellektuelle Beleidigung“.
„Wenn das die besondere Sorge der Kultusministerin für die Eltern im Land ist, von der sie seit Monaten schwadroniert, können wir froh sein, dass sie nicht schon früher ihre Liebe zu uns entdeckt hat“, sagt Netzwerk-Sprecherin Felger. Dass die Ministerin ab Montag dann in einer geschäftsführenden Funktion die Geschicke der Schulen im Land für weitere sechs Wochen vernünftig lenken soll, ist für viele Eltern völlig unvorstellbar.
Eines ist sicher: der destruktive Kurs von Kultusministerin Eisenmann seit Ausbruch der Pandemie hat schwere Schäden hinterlassen. Es wird Zeit, dass dieses beschämende Kapitel baden-württembergischer Schul-Geschichte zu Ende geht.
Dr. Ulrike Felger